Nördliche Zollgrenze wurde das Oranienburger Tor, südliche
Zollgrenze das Hallesche Tor. Während sich hier die Gewerke
niederliessen, waren es im mittleren Teil der Friedrichstraße
die königlichen Beamten.
Hinzu kamen drei städtebauliche Glanzlichter: Das Karree - der spätere Pariser Platz, das Oktogon - der spätere Leipziger Platz und nach dem Vorbild des “Piazza del Poppolo” das Rondell am Halleschen Tor. Dieses erhielt 1815 nach den Befreiungskriegen den Namen Belle-Alliance-Platz und 1947 den Namen Mehringplatz. Im Jahre 1843 wurde die Friedenssäule von Cantian und C. D. Rauch darauf errichtet.
Nach Erweiterung der Friedrichstadt und Anlage des Rondells war die Friedrichstraße die bedeutendste Nord-Süd-Achse Berlins und die einzige Magistrale der königlichen Residenzstadt, die von 2 Stadttoren begrenzt wurde.
Als 1685 König Ludwig XIV. die Hugenotten aus Frankreich vertrieb,
offerierte der Kurfürst «eine sichere und freie retraite
in alle unsere Lande und Provincien», gab ihnen Geld und Pässe.
Sie beflügelten Handel und Gewerbe, integrierten sich unter
Friedrich dem Großen bei Hofe und prägten mehr als ein
Jahrhundert die preußischen Tugenden.
Nach 1840 verschlechterten sich infolge
der Bevölkerungsexplosion die Lebensbedingungen derart, dass
das Bürgertum gegen die Willkür der Obrigkeit aufbegehrte.
Forderungen nach Rede- und Pressefreiheit, Amnestie für politisch
Verfolgte, politische Gleichstellung ohne Berücksichtigung
des Vermögens, Standes oder der Konfession wurden in den Volksversammlungen
laut. König Friedrich Wilhelm IV. ließ jedoch auf der
Friedrichstraße auf seine Untertanen schießen und beendete
damit das Volksbegehren der Märzrevolution.
In der Gründerzeit avancierte
die Friedrichstrasse gemeinsam mit der Leipziger Straße und
Unter den Linden zum Herzstück Berlins. Sie wurde zur legendären
Geschäftsstraße. Banken und Versicherungen kamen, und
im südlichen Teil der Friedrichstraße entstand das „Zeitungsviertel“.
Um 1900 wurden dort täglich 36 politische Zeitungen verlegt.
1882 wurde der Bahnhof Friedrichstraße
als großartige architektonische Anlage eingeweiht. Er wurde
zum Lebenselixier der Friedrichstraße, zum zentralen Dreh-
und Angelpunkt mit Amüsements, Hotels, Cafes, Nacht-Badeanstalten,
Varietes und Konzerten, Bars, Restaurants und Kinos.
Mit dem Wiener Cafe hielt die Kaffeehaustradition in der Kaisergalerie,
dem Cafe Burger und Cafe Kranzler Einzug.
Es entstanden viele „Tingeltangel-Lokale", und die Schönen
der Nacht waren auf den Bürgersteigen anzutreffen. Im Apollo
Theater und im Metropoltheater erlebten die Revuen bis in die 20er
Jahre ihre Blütezeit. Die Komische Oper, der Admiralspalast
und das Schauspielhaus - der spätere Friedrichstadtpalast -
wurden zum Inbegriff der leichten Muse.
Als Ende 1918 der Kaiser abgedankt hatte und Karl Liebknecht die Räterepublik ausrief, verlief das Leben in der Friedrichstraße trotz Verhängung des Belagerungszustands in gewohnten Bahnen.
Ende der 20er Jahre siedelten sich
70% aller Berliner Filmfabrikationsfirmen in der Friedrichstraße
an, unter ihnen die deutsche Niederlassung der Metro Goldwyn Mayer
Produktion. 1936 zeigten in der Friedrichstraße 36 Kinos Filme
aus aller Welt. Unter ihnen das „Scala“ als zweitältestes
Kino Berlins. (Hierher lud Kunstwelt e.V. im Jahr 2002/2003 im Rahmen
der Ausstellung „KunstWinter-Berlin” internationale
Künstler ein, sich mit dem Stadtraum der Friedrichstraße
auseinander zu setzen).
In den 30er Jahren begann die NS-Bewegung
mit der Vertreibung der Juden. Sie hatten sich als Ärzte, Rechtsanwälte,
Beamte und Händler in der Friedrichstraße niedergelassen
und machten einen Bevölkerungsanteil von 10 % aus. Unter ihnen
auch die Wein- und Feinkosthandlung Kempinski & Co.
Der II. Weltkrieg riss tiefe Schneisen in die Friedrichstraße. Seit 1949 feierten sich in der Friedrichstraße die DDR-Funktionäre. Der Admiralspalast wurde zur politischen Bühne von Bertolt Brecht und Helene Weigel. Der Bahnhof Friedrichstraße wurde Transitbahnhof und mit dem „Tränenpalast“ - wo sich Ostberliner von ihrem Westbesuch verabschiedeten - zum Inbegriff für die Teilung Berlins und Deutschlands.
Im Zuge des Arbeiteraufstandes in der DDR am 17. Juni 1953 standen
sich sowjetische und amerikanische Panzer in Drohkulisse an der
ehemaligen Alliierten-Sektorengrenze (Checkpoint Charlie) auf der
Friedrichstraße gegenüber. Seither wurde der Checkpoint
Charlie zum Grenzübergang zwischen zwei Welt-Systemen und mit
dem Mauerbau 1961 zum Inbegriff des Kalten Krieges.
Nachdem in den 70er Jahren im Westteil
der Mehringplatz von Hans Scharoun und Werner Düttmann als
Wohn- und Geschäftsquartier neu bebaut wurde, plante der Ostteil
in den 80iger Jahren eine anspruchsvolle Plattenbau-Einkaufsstraße.
Die kaum fertiggestellten Bauten wurden
nach dem Fall der Mauer 1989 im Zuge des Baubooms durch Kaufhäuser
wie Galeries Lafajette und das Quartier 206 ersetzt.
Seit wenigen Jahren erfährt nach
langer Vernachlässigung nun auch die südliche Friedrichstadt
eine starke Aufwertung durch Neubauten wie Berliner Ärztekammer,
Landes-Arbeitsamt, Kongresszentrum und ein Hotel Angleterre. Zahlreiche
Besucher strömen aus der U-Bahn auf dem Weg zum Jüdischen
Museum und überqueren den Mehringplatz.
Im Geiste seiner bewegten Geschichte
erhält die Friedrichstraße in Berlin durch den Pfad der
Visionäre und nicht zuletzt durch das Engagement seiner Paten
und Sponsoren eine kosmopolitische, verbindende Idee.
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