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Die Nachkriegsjahre
1947 erfolgte die Umbenennung nach dem sozialistischen
Publizisten und Historiker Franz Mehring, der einst in der Lindenstraße
3 bei der SPD gelehrt hatte.
Die Zerstörung Berlins ließ nun die Möglichkeit
einer gänzlich neuen Stadtplanung zu. Gerüst dieser Neuordnung
wurde ein Verkehrskonzept, das die Innenstadt mit vier autobahnähnlichen
„Tangenten“ umschließen sollte. Die sogenannte
Südtangente sollte als sechsspurige Straße nördlich
am Mehringplatz vorbeigeführt werden.
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Unter
diesen Vorgaben wurde im Jahre 1959 der Wettbewerb „Hauptstadt
Berlin“ organisiert, in den West und Ost mit einbezogen waren.
1961 erlebte die Stadt durch den Bau der Mauer die scheinbar endgültige
Trennung. Sechs der Preisträger des Wettbewerbs von 1959 wurden
1962 vom West Berliner Senat zu Gutachten für die Bebauung
des Mehringplatzes aufgefordert. Unter ihnen befand sich der Architekt
Hans Scharoun, der den Wettbewerb gewann.
Scharouns Vorstellungen bezogen sich auf die historische Kreisform
des ehemaligen Rondells, entsprechend seiner architektonischen Vision,
die sich von der Strenge und dem Radikalismus der Moderne entfernte
und ihren Ursprung in der barocken Architektur hat.
Das Areal sollte ein Handels- und Bürozentrum werden, ein Geschäftsviertel
im Zentrum Berlins, umgeben von locker an den Kreis angebundenen
Hochhäusern und zudem frei von Durchfahrtsverkehr. 1968 wurde
sein Neubau des AOK Verwaltungsgebäudes, ein sechzehngeschossiges
Hochhaus, fertiggestellt. 1968 übernahm
Werner Düttmann die weiteren Planungs- und Ausführungsarbeiten
von seinem Kollegen Scharoun, der 1972 starb.
Die Neubauten
Düttmanns Entwurf sah
eine überwiegende Wohnbebauung vor. Dies war sein Versuch,
eine neue, stadträumliche Qualität des Wohnens zu erreichen.
lnnerstädtisches, verdichtetes Wohnen war damals kein zeitgemäßes
Thema. Die „Südliche Friedrichstadt" inklusive des
Mehringplatzes wurde als eines von sechs Planungsgebieten
ausgewiesen. |
An der jungen Bausubstanz des Platzes wurden im Rahmen der IBA
keine Veränderungen vorgenommen, sondern der umgebende Stadtraum
war Ziel der Bemühungen um eine Revitalisierung des Quartiers.
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Prof.
Josef Paul Kleihues entwickelte mit seinem Begriff der „kritischen
Rekonstruktion" eine feingliedrige, den urbanen Realitäten
angemessene städtebauliche Regeldefinition als verbindliche
Grundlage für die Verwirklichung von Einzelprojekten. Nördlich
des Mehringplatzes sind heute zahlreiche realisierte IBA-Projekte
zu finden. Ihnen gemeinsam ist die verbindliche, aber architektonisch
frei zu füllende Vorgabe der barocken Blockstruktur.
Die umliegenden Höfe und die teils geschlossenen,
teils aufgebrochenen Fassaden der IBA-Blöcke fügen die
südliche Friedrichstadt um den Mehringplatz zu einem, dem historischen
Raster entlehnten und doch nicht starren, sondern organischen Ganzen.
Dynamik der Deutschen Einheit
Die Ereignisse der Jahre 1989/90, der Fall der Berliner Mauer und die Wiedervereinigung Deutschlands, eröffneten Perspektiven, mit denen in den 80'er Jahren niemand mehr gerechnet hatte. Sie machten eine gesamtberlinische Stadtplanung schlagartig zur Realität. Die neue Hauptstadt erlebte einen Planungsboom im gesamten Stadtgebiet.
Eines dieser Vorhaben war das „Projekt
Mehringplatz". Senats- und Bezirksverwaltung, die Eigentümer
am Platz, der Mieterbeirat und Sachverständige für Grünplanung,
Stadtplanung und Baugeschichte entwickelten einen ins Räumliche
übersetzten, jedoch architektonisch offenen Strukturplan, eine
Ideenskizze zur Anordnung, Dimensionierung und gestalterischen Ausbildung
möglicher Baukörper, auf dessen Grundlage zukünftige
Investoren einzelne Bauten errichten könnten. Darin vorgesehen
war der mögliche Neubau von bis zu 14 Ergänzungsbauten
mit ca. 40.000 m² Nutzfläche im Norden und Westen des
Areals auf bisherigen Frei- bzw. Parkplatzflächen.
In Folge des sich verschleppenden
Regierungsumzugs und des Rückzugs vieler potentieller Investoren
aus Berliner Bauprojekten während der Krise der Baubranche,
wurden am Mehringplatz seit 1975 bis heute keine Bauvorhaben realisiert.
Das Planwerk Innenstadt
Um die Schäden des Krieges,
der Trennung und des fehlgeplanten Wiederaufbaus zu beheben, wurden
seit der Wiedervereinigung in der neuen Hauptstadt unzählige
Bauvorhaben geplant und verwirklicht. Dies geschah oft im Interesse
einzelner Investoren oder als Ergebnis städtebaulicher Architekturwettbewerbe,
was in der bloßen Addition noch lange keine Stadt ergab.
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Senatsbaudirektor Hans
Stimmann wollte mit "Planwerk Innenstadt" eine vorgedachte
Struktur für die Berliner Innenstadt entwickeln, die partikulären
Interessen einzelner Investoren und öffentliche Anliegen bündeln.
Durch die strukturelle Verflechtung
der beiden Stadtzentren sollte eine Neuformulierung der Berliner
Identität als wiedervereinigte Gesamtstadt aller Berliner und
Hauptstadt aller Deutschen erreicht werden. |
Dialogischer Stadtumbau
Da über die Grundfragen
der Stadtentwicklung 1997 kein Konsens bestand, soll das Planwerk
nicht Masterplan und fixer Entwurf sein, sondern die Basis für
einen öffentlichen Diskurs darstellen.
Dieser „Stadtdialog“
fand auf zwei Ebenen statt. Auf theoretischer Ebene wurden Grundsatzfragen
des Planwerkes geklärt und in der Praxis in den dreizehn Planungswerkstätten
auf die Situationen vor Ort zusammen mit der zuständigen Senatsverwaltung,
dem Bezirk und seinen Planern, den Bauherren und Bewohner-Vertretern
übertragen.
Das Stichwort „Dialogischer Stadtumbau“ bezieht sich
aber nicht nur auf das Verfahren zur Findung eines konsensfähigen
Plans, sondern charakterisiert auch das Erscheinungsbild einer durch
das Planwerk überarbeiteten Stadt. Im Gegensatz zur Architektur
der Moderne des 20. Jahrhunderts, in der mit der Tradition gebrochen
und von einer tabula rasa aus geplant wurde, sollten alle Phasen
der Baugeschichte einer Stadt akzeptiert und in die hinzutretende
Bebauungsschicht einbezogen werden. Die Neuplanungen orientierten
sich wieder am historisch gewachsenen Grundriss der Stadt mit ihrer
Blockrandstruktur.
Im Mai 1999 wurde das "Planwerk Innenstadt" als städtebauliches
Leitbild vom Berliner Senat beschlossen.
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