Richard Wilhelm

 

Einleitung:

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde das I Ging durch die Übersetzung des Theologen Richard Wilhelm erstmals einer breiten westlichen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Europäische Wissenschaftler, Philosophen und Literaten ließen sich nachhaltig inspirieren.

Richard Wilhelm

Der Theologe Richard Wilhelm, geboren 1873 in Stuttgart, wird im Jahre 1899 von dem Evangelisch Protestantischen Missionsverein Berlin in das deutsche Pachtgebiet Tsingtau auf der chinesischen Halbinsel Schantung als Missionar berufen. Kurz nach seiner Ankunft verstirbt sein Kollege Dr. Ernst Faber, mehr ein praktizierender Forschungsgelehrter und Sinologe als missionierender Priester. Richard Wilhelm nimmt nicht nur die große Fabersche Büchersammlung in Obhut, sondern macht sich auch dessen berufliches Selbstverständnis zu eigen, eine Brücke zu schlagen zwischen dem geistigen China und dem geistigen Europa.

 
Zunächst setzt er sich für den Aufbau einer elementaren Bildungsarbeit und einer medizinischen Basisforschung ein. Gemeindeaufbau und Verbreitung des Protestantischen Glaubens lehnt Richard Wilhelm strikt ab. Er studiert intensiv die Klassischen Schriften des alten China und beginnt mit Übersetzungsarbeiten ins Deutsche. Schwerpunkt bilden zunächst die Werke und das Wirken der beiden Klassiker des Altertums Konfuzius und Laotse. Danach folgen chinesische Märchen und ein Deutsch-Englisch-Chinesisches Fachwörterbuch.
Er verfasst regelmäßig Kolumnen und Kommentare für deutsche Zeitungen sowie Aufsätze und Artikel über seine wissenschaftlichen Forschungen. Im Verlag Eugen Dietrichs erscheinen seine literarischen Arbeiten in der buchkünstlerisch aufwendig gestalteten Reihe Religion und Philosophie Chinas. In der neu gegründeten Universität in Tsingtau suchen zahlreiche Professoren aus aller Welt seine Gastfreundschaft. Der neugegründete Kunstverein in Tsingtau zählt ihn zu seinen Gründungsmitgliedern und aktiven Mitarbeitern.

Richard Wilhelm und das I Ging

Durch die Revolutionswirren in China lernt 1911 Richard Wilhelm den vom Kaiserhof in Peking vertriebenen hohen Gelehrten – den Vizeminister Lau Nai Süan (1843-1921) kennen. Dieser brillante Gelehrte, der noch ganz in der alten Überlieferung steht und dessen Familie mit den Nachkommen des Konfuzius nahe verwandt ist, erschließt ihm zum erstenmal die Geheimnisse des Buchs der Wandlungen, das I-Ging. Die gemeinsame Übersetzungsarbeit mit Lao Nai Süan an diesem Buch beginnt im März 1913 und dauert acht Jahre. In der Einleitung zur Erstausgabe des Buches

"I Ging – Text und Materialien", stellt er ihre methodischen Vorgehensweise vor:

„ Er erklärte den Text auf chinesisch, und ich machte mir Notizen. Dann übersetzte ich den Text ins Chinesische zurück, und Lau Nai Süan verglich, ob ich in allen Punkten das Richtige getroffen hatte. Dann wurde der deutsche Text noch stilistisch gefeilt und in seinen Einzelheiten besprochen. Ich habe ihn dann noch drei- bis viermal umgearbeitet und die wichtigsten Erklärungen beigefügt.“

Nach 21 Jahren Chinaaufenthalt kehrt Richard Wilhelm 1920 nach Deutschland zurück. Er versteht sich fortan als Botschafter und Mittler der chinesischen Welt. In den folgenden Jahren unternimmt er ausgedehnte Vortragsreisen durch Europa. 1924 wird er als ordentlicher Professor für Sinologie an die Frankfurter Universität berufen und gründet das China-Institut. Er steht in Gedankenaustausch mit Gleichgesinnten und den großen Humanisten seiner Zeit, wie: Martin Buber, Hermann Hesse, Albert Schweitzer, Graf Hermann Keyserling, Carl Gustav Jung und José Ortega y Gasset.

Bis zu seinem Tode veröffentlicht er unzählige Zeitungsbeiträge, Aufsätze und Essays über die Kultur Chinas. Mehrere Verlage bringen in eigenen Reihen seine Bücher heraus. Richard Wilhelm stirbt 1930 kurz vor seinem 57. Geburtstag in Tübingen.
Brigitte Scholz


Literatur:
I Ging – Text und Materialien. Aus dem Chinesischen übersetzt von Richard Wilhelm. Einleitung von Wolfgang Bauer, München: Eugen Dietrichs Verlag, 1973 Adrian, Francius: Die Schule des I Ging – Hintergrundwissen, Eugen Dietrichs Verlag 1994; Erfahrungen mit dem I Ging – Vom kreativen Umgang mit dem Buch der Wandlungen, Eugen Dietrichs Verlag, 1996

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